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Levels – Should I Stay or Should I Go?

Welches Level ist das Richtige für mich und wann ist es Zeit für einen Wechsel?

Bilderstrecke links nach rechts:
April Swing Break 2018, November Swing Break 2018, April Swing Break 2018  © Lina Dengg

Diese Frage stellen sich viele von uns nicht nur, wenn wir gerade vor der Anmeldung zu einem Festival sitzen.
Oft ist es schwierig, sich selbst und die eigenen Fähigkeiten einzustufen – das gilt besonders dann, wenn die Wahrnehmung unserer Kompetenzen nicht nur von uns selbst abhängt. Ob z.B. eine Figur gut funktioniert, hängt vom richtigen Zusammenspiel von Lead und Follow ab – und zwar nicht nur im Bezug darauf, ob beide wissen, was sie zu tun haben, sondern auch von der tänzerischen Chemie zwischen ihnen.  

Fast jeder von uns kennt die Situation: während eines Workshops oder eines wöchentlichen Kurses kommen wir zu einem neuen Partner und plötzlich funktioniert eine Figur, die bisher nie geklappt hat. Liegt das aber daran, dass uns plötzlich der Knopf aufgegangen ist, daran, dass wir endlich an eine Partnerin geraten sind, die auf unserem Level tanzt, oder daran, dass unser neuer Partner in der Lage ist, auch jemanden, der nicht auf seinem Level ist, in den neuen Move zu führen/folgen? 

Für Follows ist es vergleichsweise leicht, guten Leads auch bei schwierigen Figuren zu folgen – das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie auch auf dem Level des Leads tanzen, mit dem sie gerade erfolgreich einen herausfordernden Move absolviert haben. Und erfahrene Follows können den einen oder anderen Fehler eines noch weniger erfahrenen Leads ausgleichen, um einen Move gelungen aussehen zu lassen, ohne dass das für den Lead bedeutet, dass er den Move tatsächlich gemeistert hat.   

Auf unterschiedlichen Levels brauchen wir auch Unterschiedliches von unseren Partner:innen, um einen neuen Move oder Tanz auf dem Social Dance Floor als gelungen zu empfinden. Während Follows am Beginn ihrer Swing-Karriere weit fortgeschrittene Leads oft als zu subtil erleben und nicht recht wissen, wie sie auf einzelne Signale reagieren sollen, schätzen die meisten erfahreneren Follows den subtilen Stil, der mit weniger Kraftaufwand auskommt und ihnen Raum für Improvisation lässt.  

Ähnlich verhält es sich auch mit weniger fortgeschrittenen Leads, die weit fortgeschrittene Follows oft als zu ungeduldig empfinden, wenn sie von sich aus Breaks initiieren, aus dem geplanten Schrittmuster ausbrechen oder Figuren in unerwarteter Weise zu Ende führen, weil sie auf ein versehentliches Signal sofort reagieren oder eine nicht deutlich geführte Figur nicht automatisch von selbst zu Ende folgen, sondern auf ein entsprechendes Signal des Leads warten. 

Aber was bedeutet das nun für die Frage nach dem richtigen Level? 

Wir werden uns so gut wie nie in der Situation finden, einen Workshop oder Kurs gemeinsam mit anderen zu besuchen, die sich alle auf dem exakt selben Level wie wir befinden. Jeder von uns hat seine Stärken und Schwächen, die Idee der unterschiedlichen Levels basiert darauf, dass wir alle – ungeachtet dessen, wie gut wir in allen verschiedenen Teilbereichen sind – im Hinblick auf spezifische technische Aspekte gut genug sind, um von den unterrichteten Figuren, technischen Details etc. profitieren zu können. 

Levels bei Workshops

Workshops präsentieren uns in kurzer Zeit eine Auswahl an neuen Figuren und technischen Aspekten, die wir zwar nach dem Workshop verstehen sollten, aber noch nicht vollständig beherrschen müssen. Sie versorgen uns mit neuen Dingen, die wir, gemeinsam mit anderen, in den Wochen und Monaten nach dem Workshop in regelmäßigen Trainings aufarbeiten können. Workshops sind zeitlich begrenzt, daher bemühen sich die Trainer meist, auch wenn sie auf das tatsächliche Level der Teilnehmer:innen Rücksicht nehmen, das geplante Programm zu einem runden Abschluss zu bringen. Dabei steht von vornherein fest, dass nur ein kleiner Teil der Teilnehmer:innen alle Aspekte des Workshops bereits währenddessen vollständig verstehen und in der Lage sein wird, sie gekonnt umzusetzen. Der Großteil der Teilnehmer:innen soll bei Workshops mit Material und einer Anleitung zum Erarbeiten versorgt werden. 

Deshalb müssen wir bei Workshops nicht am oberen Ende des Levels, für das wir uns anmelden, tanzen, um davon zu profitieren. Zumeist reicht es aus, die wichtigsten Eckpunkte der Levelbeschreibung zu erfüllen, damit wir den Workshop genießen können. Diese Eckpunkte sollten wir allerdings ernst nehmen. Und zwar nicht nur, um uns selbst nicht zu überfordern, sondern auch aus Rücksicht den anderen Teilnehmer:innen gegenüber. Wer regelmäßig an Workshops teilnimmt, weiß, wie frustrierend es sein kann, einen neuen Move mit einem/einer Partner:in zu versuchen, der/die ganz eindeutig im falschen Level ist. Nehmen wir an einem Workshop teil, der für Tänzer:innen über unserem Niveau gedacht ist, werden wir nicht nur nicht in der Lage sein, vom unterrichteten Material optimal zu profitieren, wir hindern auch andere Tänzer:innen daran, die Möglichkeiten, die ihnen der Workshop bietet, voll auszuschöpfen.
Don’t be that guy/girl!

Regelmäßige Kurse

Wenn wir die Beginner- und Improver-Kurse hinter uns lassen und uns in den weitverzweigten Bereich des Intermediate-Levels aufmachen, sollten wir uns von Anfang an bewusst sein, dass wir gemeinsam mit anderen reisen, deren Weg sich von unserem unterscheiden wird. Nicht alle von uns bringen dasselbe Maß an Vorkenntnis mit, manche von uns nehmen ausschließlich an den wöchentlichen Kursen teil, andere nützen jede Gelegenheit, um zu tanzen – sei es auf dem Social Dance Floor, bei Workshops oder Festivals. Das bedeutet, dass wir nicht alle im selben Maß Fortschritte machen werden. Das bedeutet auch, dass wir nicht automatisch in ein höheres Level aufsteigen werden, nur weil das andere Tänzer:innen, mit denen wir gleichzeitig begonnen haben, tun. 

Auch bei wöchentlichen Kursen kann es vorkommen, dass Material durchgenommen wird, das den Großteil der Teilnehmer:innen erst einmal überfordert und das sie nicht sofort beim nächsten Social mit jedem/jeder beliebigen Tanzpartner:in umsetzen können. Das heißt aber nicht notwendigerweise, dass die Teilnehmer:innen im falschen Level sind – manchmal ist es wichtig, mit Dingen in Kontakt zu kommen, die uns noch ein wenig überfordern, um uns auf Zukünftiges vorzubereiten. Und in wöchentlichen Kursen ist das auch Teil des Programms, weil sie eine langfristige Strategie verfolgen können. 

In fortlaufenden Intermediate-Kursen ist es auch leichter möglich, sich auf die Teilnehmer:innen einzustellen, weil hier für den Abschluss eines bestimmten Programms normalerweise keine Deadline besteht. Das bedeutet aber nicht, dass im Bezug auf das Level zu starke Kompromisse gemacht werden – vor allem dann nicht, wenn parallel für mehre Levels Kurse angeboten werden. 

Was bedeutet das aber nun für die Frage, welches Level für uns das richtige ist?

Auf Festivals, die von den Teilnehmer:innen Auditions verlangen, wird uns die Entscheidung abgenommen – hier werden wir von den Trainer:innen im Hinblick auf jene Aspekte, die für die Workshops relevant sind, in das Level eingeteilt, von dem wir am meisten profitieren. Dort, wo es keine Auditions gibt, sollten wir uns die Levelbeschreibungen genau durchlesen und uns ehrlich fragen, welche Beschreibung am besten auf uns zutrifft. 

Intermediate ist nicht gleich Intermediate. Die Grenzen zwischen den Levels sind oft fließend und auch wenn sie nicht gänzlich arbiträr sind, gibt es keine international einheitlichen Standards. Wer auf einem Festival optimal in einen Workshop auf dem Intermediate-Advanced-Level gepasst hat, wird auf einem anderen im Intermediate-Level am meisten mitnehmen können. Deshalb ist es so wichtig, sich die Levelbeschreibungen durchzulesen. 
Und für den Fall, dass es keine gibt? Sollte man sich für einen Workshop interessieren, der tatsächlich keine Levelbeschreibung zur Verfügung stellt, empfiehlt sich ein kurzes Schreiben an die Veranstalter. Sie sollten in der Lage sein, einem die notwendigen Voraussetzungen für die unterschiedlichen Levels mitzuteilen.

Die Frage, für welches Level man sich anmelden sollte, hängt also von den Rahmenbedingungen des jeweiligen Workshops oder Festivals ab und nicht davon, auf welchem Level man „zu Hause“ tanzt. 

Bei der Frage nach dem richtigen Level in wöchentlichen Kursen haben wir den Vorteil, unsere Trainer:innen direkt fragen zu können. Gerade am Anfang unserer Tanzkarriere ist es aber auch für unsere Trainer:innen nicht immer möglich, uns einwandfrei einzuschätzen. Brauchen wir nur noch ein bisschen und sind in der Lage, aufzuholen? Oder sind wir wirklich noch nicht so weit und laufen Gefahr, das Gefühl zu haben, dass die anderen Teilnehmer:innen schneller Fortschritte machen und an uns vorbeiziehen werden.

Wenn uns Trainer:innen in wöchentlichen Kursen einschätzen, müssen sie andere Dinge berücksichtigen als bei Workshops, schließlich geht es ja nicht nur um die Frage, ob wir dem Unterricht in den nächsten paar Stunden folgen können, sondern darum, ob wir in den nächsten Monaten ausreichend gefordert sein werden und trotzdem in der Lage sind, Schritt zu halten. Dabei ist die Frage nach der Basis unseres Könnens die wichtigste. Mit der Basis unserer Fähigkeiten verhält es sich wie mit dem Fundament eines Gebäudes. Ist die Basis nicht allzu stabil, wird ein einziges, darauf aufbauendes Stockwerk möglicherweise noch keine Probleme mit sich bringen – werden aber nach und nach immer mehr Stockwerke gebaut, die sich alle auf dasselbe Fundament stützen, werden die Probleme mit der Zeit immer größer. Dasselbe gilt auch für unser tänzerische Basis – sind wir z.B. zwar in der Lage, die Schritte eines Swingouts alleine abzulaufen und können wir ihn mit einem erfahrenen Partner auch tanzen, fehlt es uns dabei aber an der notwendigen (internen und externen) Connection und kommen wir, bei etwas schnellerer Musik, nicht rechtzeitig um die Kurve, wackelt unser Fundament. Bei der ersten Figur, die darauf aufbaut, werden wir vielleicht noch keine allzu großen Probleme bemerken. Spätestens, wenn wir uns dann aber Figuren zuwenden, die eine fortgeschrittenere Technik von uns verlangen, wird unser wackliges Fundament deutlich und der Abstand zwischen unseren Fortschritten und denen der anderen Teilnehmer:innen immer spürbarer werden. 

Es kann vorkommen, dass wir mit der Einschätzung unserer Trainer nicht übereinstimmen – in solchen Fällen sollten wir ihren Erklärungen besondere Aufmerksamkeit schenken.

Ist der Grund dafür, dass uns die Trainer:innen ein Level niedriger einschätzen als wir uns selbst, etwas, das man mit gezieltem Training innerhalb kurzer Zeit verbessern kann? Oder handelt es sich bei den fraglichen Punkten um etwas, das wir nur mit regelmäßigen Wiederholungen auf das gewünschte Level bringen können? Ist letzteres der Fall, sind wir im niedrigeren Level vermutlich besser aufgehoben – dort haben wir nicht nur Gelegenheit, an den fraglichen Punkten zu arbeiten, sondern können uns auch auf andere Aspekte unseres Tanzens besser konzentrieren, weil die generellen Inhalte bereits vertraut sind – auf diese Weise können wir, wenn auch ein bisschen später, eventuell sogar mit ein wenig Vorsprung ins nächste Level starten. 

Handelt es sich beim fraglichen Punkt um etwas, das sich mit gezieltem Training schnell verbessern lässt, stellt sich die Frage, wie wichtig uns der Levelaufstieg ist. Geht es uns darum, schnell besser zu werden, um an einem bald stattfindenden Workshop teilnehmen zu können oder geht es uns darum, den Anschluss an andere Teilnehmer:innen nicht zu verlieren, sollten wir die Möglichkeit von Privatstunden, in denen wir gezielt an unseren Problemen arbeiten können, in Erwägung ziehen. Dort haben wir nicht nur die Gelegenheit, unsere Problembereiche aus unterschiedlichen Richtungen in Angriff zu nehmen, sondern können uns auch maßgeschneiderte Übungen zeigen lassen, mit denen wir auch außerhalb der regulären Stunden zu Hause an der Verbesserung unserer Fähigkeiten arbeiten können. Wenn es uns dabei aber nur um das gute Gefühl geht, uns selbst als Intermediate- (oder Intermediate-Advanced-)Tänzer zu bezeichnen, sollten wir uns daran erinnern, dass wir Zeit haben, durchatmen und noch ein wenig länger auf dem aktuellen Level bleiben.

Generell gilt:

Das Erlernen von Lindy Hop ist ein Marathon, kein Sprint – niemand wird uns einen Preis überreichen, nur weil wir uns innerhalb kurzer Zeit für ein höheres Level anmelden. Ganz im Gegenteil. Wer sich in unterschiedlichen Communitys mit guten Tänzer:innen unterhält, wird eine Gemeinsamkeit feststellen: Die meisten von ihnen haben die unteren Levels mehr als einmal besucht. In vielen Communitys herrscht chronischer Lead-Mangel, was häufig dazu führt, dass weiter fortgeschrittene Leads (und auch Follows) gebeten werden, als Leads in den Beginner-Kursen auszuhelfen. Das erlaubt ihnen zu einem Zeitpunkt, an dem sie sich nicht mehr auf ihre Schritte konzentrieren müssen, andere Aspekte des Tanzes genauer zu beleuchten, ohne dabei neuen Input zu verpassen. Wie kann ich meine Intention deutlicher kommunizieren, ohne mehr Kraft aufzuwenden? Wie kann ich meinen Bounce verbessern? Wie kann ich Stretch erzeugen, ohne mich zu viel im Raum zu bewegen? etc. All das hilft ihnen langfristig, schneller Fortschritte zu machen, weil sie die Technik, die mit neuen Figuren einhergeht, bereits beherrschen und Gelegenheit hatten, sie zu verbessern.

Sollte man also am Ende eines Kurses das Gefühl haben, die dort vermittelten Inhalte noch nicht ganz verinnerlicht zu haben, ist es keine Schande, die Kurse zu wiederholen, anstatt sich sofort ins nächste Level aufzumachen.
Langfristig wird sich die Wiederholung bezahlt machen.

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